Erst neulich habe ich erfahren, dass es Leute gibt, die gar nicht wissen, dass man in unserer rechtsorientierten Autogesellschaft auch als Radfahrer auf dem Radweg immer „in Fahrtrichtung“ (der Autos) fahren muss. Ich weiss wenigstens, dass ich tagtäglich in voller Absicht gegen eine nicht mehr zeitgemäße Regel verstoße, und habe mich, mit Kopfhörern bekleidet, so auch nicht gewundert, als sich mir morgens ein fünffach besetzter Mannschaftsbus der Polizei so plötzlich in den Weg stellte, dass ich nur durch eine Schleudervollbremsung der unsanften Landung auf der Motorhaube entging. Durch das offene Fenster rief mir der Fahrer irgendwas entgegen, ich antwortete nur, dass ich jetzt keine Zeit hätte, ich wollte ja die S-Bahn erwischen, muss der mich jetzt nerven.
Am Ende einer kleinen Straße, durch die keine Autos passieren können, sah ich, dass mir der Bus doch tatsächlich gefolgt war. Naja, hiermit war er ja dann abgehängt. Dachte ich. Das komische Gefühl im Bauch hätte ich wohl ernst nehmen sollen, war es doch eigentümlich genug, dass sich die grünen Männer gleich fünffach mit einem einfachen Zweiradverbrechen aufhalten. Ich war nicht sonderlich überrascht, als mir der Bus mitten auf einer großen Kreuzung an einer Verkehrsinsel den Weg versperrte, der grüne Fahrer hatte mittlerweile als Gesichtsfarbe die Komplementärfarbe Rot gewählt – könnte auf einen ausgeglichenen Charakter hinweisen. Ampelfarben, passend zu der, die er mitten auf der Kreuzung gerade blockierte. Selbst als er wutschnaubend meinen Ausweis schon in den Händen hielt, meldete er Fluchtgefahr als Grund an, meinem Vorschlag, einträchtig die Kreuzung zu verlassen um die säuerlichen Berufsverkehrsmenschen nicht durch unseren kleinkarierten Konflikt zu behindern, keine Folge zu leisten. Ich war ja schonmal geflüchtet, und sie hätten mich mit Blaulicht verfolgen müssen. Ja, ich hob schon meinen Finger, um einzuwerfen, dass ich doch wegen der lauten Musik aus meinem Kopfhörer gar nicht verstanden hätte, was er denn eigentlich von mir wollte, und somit völlig unwissentlich geflüchtet bin, zog ihn dann aber doch ganz unauffällig zurück, leise ahnend, dass er das, hm, falsch verstehen könnte? Als Kritik vielleicht, dass er nicht laut genug gebrüllt hat?
Während die Rothaut im Auto meine Daten überprüfte passte ein jüngeres Bleichgesicht auf mich auf, ich könnte ja vor meinem Ausweis flüchten, weil ich endlich endlich anonym leben möchte. Es klärte mich auf, dass es nun statt einer Verwarnung zu einer Anzeige wegen drei Vergehen käme. Musikhören, Linksfahren, Wegfahren. Den Preis für die gegengerichtete Fahrerei wusste er nicht, wieder hob sich mein Finger, um dann verstohlen wieder herabzusinken. Mich beschlich das vage Gefühl, dass er sich belehrt fühlen könnte, wenn ich ihm sage, dass ich mich da auskenne: 15,- Eumel. Hatte ich doch erst letztes Jahr, ausser die Preise sind inzwischen gestiegen. Ich redete ihn stattdessen in diplomatischfreundlichem Ton mundtot mit meiner fundierten Meinung über überholte Regeln in einer autogläubigen Gesellschaft, die ihre Halsmuskeln nur noch einseitig beim Linksdreh beansprucht, was als neue Volkskrankheit den Schiefhals auf den Plan ruft. Dem folgte ein objektiver Vortrag über überflüssige Kraftfahrerei in der Stadt, sind die meisten von uns doch mit zwei beweglichen Beinen ausgestattet, die zudem Zutritt zu öffentlichen Verkehrsmitteln erzeugen können.
Bis sein Komplementärkollege aus dem Wagen kam hatte ich ihn in einen stillschweigend erleuchteten Zustand versetzt. Ich nahm meine nun doch nur zwei Verwarnungen entgegen, da ich kurz vor meiner Haustür ertappt worden war. Dass ich den gesamten Weg bis zur Überwältigung rechtswidrig links gefahren war, hatten sie ja nicht gesehen.
Am nächsten Tag suchte ich mir einen neuen Weg, der legal sein, aber mir trotzdem alle vier (Auto-) Ampeln auf den 400 Metern zur S-Bahn ersparen sollte. Danke tapfere Krieger! Er ist drei Minuten kürzer. Die Musikhörverwarnung habt ihr ja unterlassen…